Mittwoch, 3. November 2021

Noch ein Wort zum Yoga

„Yoga? - Das ist nichts für mich. 

Da muß ich mich ja verrenken!“ 


So lautet ein Ausspruch, den ich des öfteren höre.

Dabei geht Yoga ganz einfach!

Es fing alles damit an, daß meine Tochter mit dem wissenschaftlichen Teil der FAZ vom... ankam und ganz empört zu mir sagte: „Guck mal Mama, was da über Yoga steht.“

Yoga kam da aus wissenschaftlicher Sicht ziemlich schlecht weg. 

Ich las den Artikel und sagte: „Wunderbar! Endlich mal jemand, der Klartext redet.“

Und ich bin selber Yogalehrerin!

Das einzige, was mich daran gestört hat, ist, daß man diese Kritik auf alle anderen Bewegungsarten genauso übertragen kann. Denn: Es kommt nicht darauf an, was man macht, sondern wie man es macht. Das gilt für Yoga genauso wie für klassische Gymnastik, Aerobic, Stepptanz, Krafttraining, Dauerlauf und alle anderen Bewegungsarten. 


Das erste ist der eigene Atemtyp, der berücksichtigt werden will: Sie sind nämlich entweder aktiver Ausatmer oder aktiver Einatmer. Das bedeutet, daß Sie alle anstrengenden Phasen einer Übung entweder mit dem aktiven Ausatmen oder eben mit dem aktiven Einatmen verbinden dürfen. Nur so vernetzen sich Ihre ca. 640 Muskeln „anständig“ - und nur so wirkt Yoga überaus heilsam. Ansonsten kann es ziemlich erschöpfend, frustrierend oder sogar schädlich sein.


Die eigene individuelle Anatomie zu kennen und zu berücksichtigen, gehört auch dazu:

Genauso wie (fast) jeder zwar zwei Augen, eine Nase und einen Mund hat, sieht trotzdem jeder Mensch auf der Welt unterschiedlich aus. Und genauso ist bei jedem Menschen der Knochenbau unterschiedlich. Die Hüftpfanne z.B. sitzt bei jedem Menschen an leicht unterschiedlicher Stelle, der Oberschenkelhals ist bei allen Menschen unterschiedlich lang (genauso wie der Hals eines Menschen), der Oberschenkelkopf ist bei jedem unterschiedlich geformt (genauso wie der Kopf eines jeden Menschen) usw.


Daraus ergeben sich manchmal Grenzen in bestimmten Haltungen, wie z.B. beim Lotossitz (jeden Fuß in der gegenüberliegenden Leiste platziert), den die meisten Menschen niemals werden einnehmen können, ohne sich ernsthaft die Knie zu ruinieren. Ich gehöre auch dazu. Und das macht auch nichts. Sie und ich können auch ohne Lotussitz gesund und munter bleiben oder werden.


Außerdem sollten alle Bewegungen aus der Aufspannung der Wirbelsäule geschehen. Die ist gar nicht schwer zu erlernen, mit dem aktivierten Beckenboden geht es kinderleicht. 

Und damit meine ich nicht „alle Löcher unten zuzukneifen“ wie es kürzlich eine Teilnehmerin bei der Reha machen sollte, sondern die tiefste Schicht (eine Muskelschale) zu aktivieren und gleichzeitig die Gesäßmuskeln zu entspannen!!! Bei jeder Haltung oder Stellung bleibt so die Aufspannung der Tiefenmuskulatur erhalten, die jede Bewegung und Haltung erst heilsam werden läßt. In dem Moment, wo sie verloren geht, büßt die Übung einen Teil der heilenden Wirkung ein oder schadet sogar.

Nach meinen Erfahrungen mit hunderten von Trainierenden in den letzten 25 Jahren habe ich immer wieder festgestellt, daß einige klassische Yoga-Asanas die „normalsterblichen Anfänger“ gar nicht bewältigen können - manche sind auch für die Fortgeschrittenen nicht hilfreich und einige eignen sich auch nicht für mich :-))). 


Einmal fragte mich eine Frau aus meinem Grundlagenkurs: „Birgit, Ihre Übungen finde ich in keinem Buch. Machen Sie überhaupt Yoga?“

Ich war sehr erstaunt und stellte eine Gegenfrage: „Können Sie die Übungen aus den Büchern denn nachmachen?“ 

Die Antwort lautete: „Nein!“


Einige meiner Yogaschüler, die schließlich bei mir „landeten“, erzählten mir von ihren Erfahrungen mit verschiedenen Yoga- und Bewegungsstilen: 

Ich mußte bei der anstrengen Phase immer ausatmen (bzw. einatmen) und das ging gar nicht.

Ich wurde in die Stellung gezwungen.

Ich soll mich nicht so anstellen (bei Schmerzen).

Ich mußte in der ersten Stunde schon den Kopfstand machen.

Ich mußte den Schneidersitz einnehmen, obwohl ich Knieprobleme habe.

Mir haben nach dem Yoga oft die Knie wehgetan.

Ich lasse (angeblich) nicht mein Ego los. (Besonders beliebt!)

...

Mich wundert es deshalb nicht, daß Yoga neben dem großen Lob auch mittlerweile so viele Kritiker hat, gerade bei den Ärzten. Denn da gehen die Menschen nach der Yogastunde mit ihren Schmerzen hin.

„Was haben Sie gemacht?“

“Yoga!“


Ich hatte eine fast 90 jährige Dame in meiner Yogastunde, und es ging ihr nach dem Yoga immer sehr gut, nicht nur körperlich, sondern auch seelisch. (Sie hatte zuhause einen kranken Mann, denn sie liebevoll pflegte.) Sie war nach der Yogastunde immer so glücklich und dankbar und ging mit strahlenden Augen beschwingt nach Hause.

Dann ging sie einmal zum Arzt und erzählte ihm, daß sie jetzt ins Yoga gehe. Der Arzt war entsetzt und riet ihr ab, weiterhin zu mir zu kommen - obwohl er mein Yoga gar nicht kannte.

Daraufhin rief sie mich ganz geknickt an, sie dürfe nicht mehr kommen, der Arzt habe ihr dringend davon abgeraten.

Und obwohl es ihr immer ausgesprochen gut tat, kam sie nicht mehr. Schade!

Dem Arzt war es vielleicht gar nicht zu verdenken, er hatte diesbezüglich wahrscheinlich schlechte Erfahrungen gemacht. (Die Dame wollte mir den Namen des Arztes leider nicht sagen. Da mußte ich es so stehen lassen.)


Yoga ist eine wunderbare Methode, mit der Sie beweglicher, schmerzfrei und gesünder werden - egal, wie jung oder alt Sie sind! Dabei kommt es auf die Art der Ausführungen an! 

Das Wie ist wichtig: 

Wie führe ich die Menschen in die Übung hinein und wieder hinaus. 

Welche Möglichkeiten hat dieser Mensch überhaupt, welche Bewegungs-Vorerfahrungen, welche Einschränkungen und welche körperlichen Voraussetzungen? 

Was will er überhaupt erreichen? 

Was ist seine Motivation, Yoga zu machen?


Die meisten Menschen, die ins Yoga kommen, sind ja nicht besonders beweglich oder sportlich.

Sie kommen fast immer aus den folgenden fünf Gründen:


1.Sie sind steif und unbeweglich (verkürzte Muskulatur, es zwickt und zwackt überall).

2.Das Gefühl, die Wahrnehmung für ihren Körper ist mehr oder weniger eingeschränkt (oft sind schon Taubheiten in verschieden Bereichen da).

3.Das Skelettsystem ist gestaucht (Schmerzen in Gelenken und Wirbelsäule, Bandscheibenprobleme, Schulter- und Nackenschmerzen).

4.Sie fühlen sich gestresst und ausgelaugt.

5.Oder sie sind durch Leistungssport zu fest geworden, dadurch verletzungsgefährdet und/oder die Haltung hat dadurch ihre natürliche Aufrichtung verloren.


Sie brauchen also jemanden, der sie behutsam an Yoga heranführt, der Ihre persönlichen, und Ihre anatomischen Gegebenheiten berücksichtigt - und allem voran den eigenen Atemtyp.

Das braucht einen erfahrenen und einfühlsamen Lehrer.

Deshalb empfehle ich allen, die gerne Yoga ausprobieren wollen: Nehmen Sie sich Zeit, den geeigneten Lehrer zu finden. Hören Sie immer auf Ihren Körper. Ihr Körper ist Ihre oberste Instanz. Lassen Sie sich von niemandem etwas aufschwatzen. Keiner kennt seinen Körper besser als Sie selbst. Akzeptieren Sie Ihre momentanen Grenzen, und bleiben Sie geduldig „dran“, ohne auf ein bestimmtes Ergebnis zu hoffen. 


Es geht beim Yoga nicht um Leistung, sondern um Gesundheit! 


Tun Sie es einfach für Ihre Gesundheit und zu Ihrer Freude - atmen Sie, entspannen Sie sich - und genießen Sie die Bewegungen und Haltungen im Yoga!